Vorsicht! – Zimmer frei

Göttinger Verbindungen locken männliche Studenten mit billigen Zimmern und dubiosen Methoden in ihre Häuser: Wohnen bei „Ehre-Freiheit-Vaterland!“

Das Studium beginnt mit einem oft frustrierenden Part, der Wohnungssuche. Ein angespannter Wohnungsmarkt zu Semesterbeginn und die späten Zusagen der ZVS machen diese Suche nicht selten zum Martyrium. Umso mehr erfreut ist Mann natürlich, wenn im Internet oder am schwarzen Brett folgendes offeriert wird:

„21m2, 110€, männlicher Mitbewohner gesucht: Wir haben einen sehr großen Garten, der sehr ruhig ist […]. Verschiedene Zeitungsabos, DSL 16000 und Telefonflatrate sind vorhanden und bis zur Uni brauchst du zu Fuss nicht mehr als 5min […]. Wir sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen was die Interessen und Studienrichtungen angeht (Jurist, Chemiker, Historiker, Politologe…). Wir sind keine Zweck-WG und kommen alle sehr gut miteinander aus und unternehmen sehr viel zusammen. Wenn dich das ansprechen sollte komm einfach vorbei oder ruf an, wir würden uns freuen. Das Zimmer kann sofort bezogen werden.“

Burschenschaft Hannovera (pflichtschlagend, Deutsche Burschenschaft)

Erfreut sollte man jedoch nicht sein, sondern vielmehr verärgert, dass viele Verbindungen (unter ihnen auch die rechte, „pflichtschlagende“ Burschenschaft Hannovera) mit solch dubiosen Anzeigen auf Nachwuchsfang gehen. Die günstigen Preise, die außergewöhnlich gute Ausstattung („Gründerzeitvilla mit Billiardzimmer“) und die Suche nach ausschließlich männlichen Mitbewohnern sind deutliche Kennzeichen, dass es in einem Inserat um mehr geht als die Suche nach einem WG-Mitbewohner. Auch in diesem Semester genügt eine kurze Suche bei den einschlägigen WG-Suchmaschinen um mehr als zehn solcher Angebote, unter anderem von den Burschenschaften Germania und Holzminda (s.u.) zu finden.

Warum sollte man solche Anzeigen also besser vergessen und sich das billige Zimmer entgehen lassen?

Die archaische, auf Männlichkeit, Befehl und Gehorsam ausgerichtete Struktur der meisten Verbindungen sollte eigentlich abschreckend genug sein, aber sie ist leider häufig nicht von Beginn an zu erkennen. Neulinge, auch Füxe genannt, werden langsam in die Korporation integriert. Wer also gutgläubig an diese Verbindungen herantritt kann leicht von „guter Stimmung“, Gemeinschaftsgefühl und Luxusausstattung getäuscht werden.

Man kann natürlich nicht alle Verbindungen über einen Kamm scheren und Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften, Studentenvereine, Sänger-, Jäger- und Turnerschaften, sowie die Christlichen Verbindungen gleichermaßen verurteilen. Die Vielzahl der unterschiedlichen Korporationen (allein in Göttingen an die 50) macht es zudem schwer eine differenzierte und fundierte Warnung zu formulieren, aber bei vielen ist tatsächlich Argwohn geboten.

Ihr solltet Vorsicht walten lassen, denn in Göttingen gibt es mehrere Verbindungen und Burschenschaften, die nicht nur das fragwürdige „Lebensbund-Prinzip“ vertreten, die „schlagend“ sind (also fakultativ oder pflichtgemäß fechten) und das Vaterland sowie das Patriarchat verehren, sondern auch solche, die mehr oder weniger offen mit rechtsextremen Gruppen und Persönlichkeiten der Gesellschaft verbunden sind (wie z.B. die Burschenschaften Hannovera und Holzminda).

Nicht alle Verbindungen sind rechtsradikal und einige nehmen auch Ausländer, Wehrdienstverweigerer und die wenigsten sogar Frauen auf. Dennoch ist immer wieder zu beobachten, dass sie Ausgangspunkt von Geschichtsrevisionismus, Sexismus, Diskriminierung von Ausländern, Soldatenkult und großdeutschen Träumereien sind.

Vor allem die Burschenschaften haben sich mit diesem Themen hervorgetan. Der zweitgrößte deutsche Verbindungsdachverband „Deutsche Burschenschaft“ (ca.14.000 Mitglieder 1997) „sieht das deutsche Vaterland unabhängig von staatlichen Grenzen in einem freien und einigen Europa, welches Osteuropa einschließt.“1 Und sagt, dass das „Burschenbrauchtum immer auf eine bestimmte männliche Gruppe abgestimmt [ist]. Die menschliche Weltordnung ist auf das Männliche ausgerichtet”2. Ihm gehören Vereinigungen an, die so offen rechtsradikal sind, dass sie als verfassungsfeindliche Organisation eingestuft werden (z.B. die Danubia München). Auch die Göttinger Burschenschaften, die der „Deutschen Burschenschaft“ angehören, haben des Öfteren durch nationalistische Umtriebe und Einladung von Personen der rechten Szene auf sich aufmerksam gemacht.

Also liebe Kolleg_innen: Tut euch den Gefallen und schaut bei der Wohnungssuche genau hin! Null Toleranz für rechte Burschis!

Übrigens treffen sich die Mitgliedsverbände der „Deutschen Burschenschaft“ einmal im Jahr in Eisenach, um an das erste Wartburgfest 1817 und die Gründung der Urburschenschaft 1815 zu erinnern. Frauen sind hierbei lediglich als schmückendes Beiwerk geduldet. Ansonsten bestehen diese Tage hauptsächlich aus Trinken und mit den „Bundesbrüdern“ Reden über die achso herrliche Herrlichkeit des deutschen Mannes und der deutschen Nation schwingen. Natürlich nicht selten unter Anwesenheit gewisser Parteifunktionäre.

Wen dies stört, die_der sei auf folgende Seite verwiesen: http://gegenburschentage.blogsport.de/

1 Deutsche Burschenschaft, Grundsätze der Verfassung der deutschen Burschenschaft, Art.9

2 Burschenschaftliche Blätter 5/1980

Aus der Einladung einer Burschenschaft: „Bist Du hässlich, fett, krank oder fremd im Lande, bist Du von Sorgenfalten, Weltschmerz oder linksliberaler Gesinnung gepeinigt, trägst Du alternative oder Schickimicki-Kleidung – oder gar einen Ring im Ohr, studierst Du Publizistik, Pädagogik oder Theologie oder gar nicht, hast Du den Wehrdienst verweigert oder eine Freundin mit, die weder schön noch still ist, dann bleib lieber zu Hause. Du würdest sowieso nicht eingelassen werden!“ (Zit. nach AStA Uni Hamburg 2005)

Ein Großer Dachverband riet für die Mitgliederwerbung folgendes: „[…] mit Getränken enthemmen, emotionale Suggestivfragen stellen, schlechtes Gewissen im Fall des Nichtentschlusses erzeugen“
„[…] Freundin [des Anzuwerbenden, die Red.] heranziehen; Freundin ggf. eliminieren; über Verlust der Freundin trösten durch Aktivwerden [in der Verbindung, die Red.]“ (zit. nach: AStA Uni Bielefeld 2000)

Aus „Burschenschaftliche Blätter“ vom März 1933 zur Machtübernahme der NSDAP: „Die Deutsche Burschenschaft ist lange Zeit wegen ihrer scharfen Beschlüsse in der Judenfrage angefeindet worden […] Jetzt hat sie die Genugtuung, dass es eine deutsche Regierung gibt, die den Kampf gegen das Judentum auf der ganzen Linie aufgenommen hat“. (Zit. nach AStA Uni Hamburg 2005)